Muskulo-skelettaler Ultraschall in der Physiotherapie

oder Rehabilitative Ultrasound Imaging (RUSI)

Die Verwendung von diagnostischem Ultraschall am motorischen System oder muskuloskelettaler Ultraschall (MSKUS) hat in der medizinischen Grundversorgung, vor allen in der Physiotherapie, in den letzten Jahren enorm an Popularität gewonnen. Trotzdem unterrichten nur wenige physiotherapeutische Ausbildungsstätten, BSc- oder MSc-Lehrgänge, die Verwendung der rehabilitativen ultraschall-basierten Bildgebung. 

Rehabilitation, Diagnostik, Intervention, Scientific Research – hier können Physiotherapeuten vom bildgebenden Ultraschall profitieren [1]. Bisher gibt es jedoch Wenige, die dieses Hilfsmittel in ihre Therapie einbeziehen. Die Ultraschallgeräte sind teuer, das Schallen will gelernt sein und nicht zuletzt ist es in der Schweiz bisher keine Abrechnungsposition.

Bisher wurde der Ultraschall in der Physiotherapie vor allem eingesetzt, um die neuromuskuläre Kontrolle der Bauchmuskulatur (bspw. M. transversus abdominis) und des Beckenbodens zu untersuchen und als Bio-Feedback-System zu nutzen. Im Rahmen der evidenzbasierten Physiotherapie gewinnt das Thema Ultraschall aber zunehmend auch in anderen Bereichen an Bedeutung. Der Ultraschall hilft den Therapeutinnen, bei ihren Patienten beim Erstbefund der betroffenen Struktur objektiv, einfach und zeitlich ökonomisch darzustellen und den Therapieverlauf zu dokumentieren. Die Kombination aus klinischer Befundung, der (dynamischen) Anwendung von MSKUS und funktionellem Bewegungslernen ermöglicht es diesen Fachleuten eine spezielle Domäne anzubieten. Und das für Dienstleister aus den Bereichen der Physiotherapie, Osteopathie, Chiropraktik und natürlich der Medizin [2].

Zu den bisherigen typischen Indikationen wie Muskelzerrung, Muskelfaserriss, Tumoren, Muskelhernien, dem Kompartmentsyndrom, den Myopathien gesellt sich eine neue Untersuchungsmethode hinzu: „Rehabilitative Ultrasound Imaging“ (RUSI). Diese soll anders als in der „medical Sonography“, in der die Sonographie eine Unterstützung in der Diagnosefindung z.B. des Kreuzschmerzes bieten soll, therapiebegleitend zur Beurteilung von Morphologie und Querschnittsfläche und der Verlaufskontrolle dienen, sowie als Mittel zum Biofeedback genutzt werden [3].

Was ist Sonographie eigentlich?

Bei der Sonographie (Synonyme: Ultraschall, Echographie) handelt es sich um ein diagnostisches Verfahren der Radiologie. Nahezu jedes Organ kann durch Erstellung von Schnittbildern in beliebiger Schichtführung dargestellt werden. Die Erzeugung eines Sonogramms funktioniert durch die Aussendung von hochfrequenten Schallwellen an der Oberfläche des Körpers, welche am zu untersuchenden Gewebe reflektiert werden. Die einzelnen Bindegewebsstrukturen wie Muskeln, Bänder, Sehnen, Nerven und Knochen weisen eine unterschiedliche Dichte auf. Der Ultraschallkopf, der auf die Hautoberfläche aufgesetzt wird, erzeugt die für uns nicht wahrnehmbare Ultraschallwellen. Sie dringen in das Gewebe ein und werden an den Übergängen von einem Gewebetyp zum nächsten unterschiedlich reflektiert. Aus den Reflexionen erstellt ein Computer ein Bild, das auf dem Monitor die verschiedenen Gewebetypen erkennen lässt [4].

Nachfolgend werden die vier grossen Kategorien in der Anwendung von Ultraschall in der Physiotherapie, anhand der aktuellen Datenlage, beschrieben. 

Die rehabilitative US-Bildgebung

In der Literatur werden die häufigsten Verwendungen von MSKUS durch Physiotherapeutinnen im Studium des Bewegungsapparates in verschiedenen Settings berichtet (z. B. Sportmedizin, Orthopädie, Atemwege und Beckenbodenrehabilitation). Dazu gehört die Messung der Muskelmorphologie (z. B. Länge, Dicke, Durchmesser, Querschnitt der Fläche, Volumen, Faszikellänge und Penetrationswinkel), Veränderungen oder Unterschiede in der Muskulatur, Morphologie im Laufe der Zeit (z. B. mit dem Altern) [5], zwischen Gruppen von Menschen [6] oder mit Ereignissen (z. B. Kontraktion [7], Verletzungen [8], Operationen [9], Beurteilung der Wirkung von Muskeln, Kontraktion auf angrenzende Strukturen (Bewegung und Verformung von Faszien [10], von Nerven [11], und viszeralen Organen wie bspw. die Blase [12] und die Harnröhre [13]; Bewertung der Muskelzusammensetzung [14] und der Verwendung von Biofeedback [15].

Die diagnostische US-Bildgebung

Der diagnostische US umfasst die Untersuchungen der Auswirkungen von Verletzungen und Läsionen oder Erkrankung an Gelenkflächen, Muskeln, Sehnen, Bändern, Schleimbeuteln, Gefäße, Nerven und viszeralen Organen. Traditionell gehören diese Fähigkeiten den Ärzten. Angesichts dessen, dass MSKUS das kostengünstigste, die sicherste und schnellste Methode für statische und dynamische Bildgebung darstellt, haben sich mittlerweile viele verschiedene Gesundheitsberufe dafür entschieden sich diese Fertigkeiten selbst anzueignen. 

Im Rahmen der Physiotherapie wurde der diagnostische MSKUS zur Identifizierung von Sehnenanomalien, zum Screening auf ein Tendinopathie-Risiko [16] verwendet, als auch der Beurteilung einer Humerustorsion oder der akromiohumeralen Distanz bei Personen mit Pathologie der Rotatorenmanschette [17], der Hämarthrose im Gelenksinneren von Personen mit Hämophilie [18], Einklemmungsneuropathien [19] oder der Bandintegrität nach einer Verletzung [20].

Die interventionelle US-Bildgebung

Interventioneller US beinhaltet die Verwendung von graustufen Helligkeitsmodus (b-Modus) US, um „trocken/dry“ und «nasse Nadeln» genau, effizient und sicher für eine Vielzahl von invasiven Eingriffen zu führen, einschließlich Akupunktur, Dry Needling, perkutaner Elektrolyse und Injektionen. MSKUS-geführte Nadelungen und Injektionen gelten als genauer und wirksamer als Landmarken-geführte Injektionen [1].

Scientific Research und MSKUS

Der MSKUS wird in der Grundlagen-, angewandten und klinischen Forschung angewendet, die darauf abzielt, die Physiotherapiepraxis informieren.

Zum Beispiel wird MSKUS verwendet, um unser Verständnis der Auswirkungen von Schmerzen zu verbessern und Beeinträchtigungen der motorischen Kontrolle zu bestimmen [21]. Die gilt ebenfalls zur Bestimmung der Muskelmorphologie [8], der Beziehung zwischen der motorischen Kontrolle und ihrer Funktion [22] und welche Patienten von einer bestimmten Behandlungsmethode profitieren könnten [23]. Ebenfalls ist er ein dankbares Tool zur Verbesserung des motorischen Lernens und einer physiotherapeutischen Behandlung über Biofeedback (49).

Life-long learning

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass klinische Tests oft nicht spezifisch genug und unzureichend sind, um zu einer korrekten Diagnose zu kommen. Falsch-positive Diagnosen treten häufig auf und es ist wichtig, diese Fehler so weit wie möglich zu begrenzen. MSKUS scheint ein valides Beurteilungsinstrument zu sein. Aufgrund einer langen Lernkurve ist ein intensives Training mit vielen praktischen Übungsstunden (hands-on practice) zwingend notwendig, um MSKUS technisch und klinisch fundiert zu erlernen. Ein internationaler Anbieter für MSKUS-Kurse, SonoSkills, empfiehlt das Scannen einer bestimmten Struktur (bspw. dem M. Supraspinatus) von 100-200x [2].

Die Vor- und Nachteile der Sonographie

Als Vorteile der sonographischen Untersuchung sind die folgenden zu nennen:

  • Es handelt sich um ein risikoarmes und häufig verwendetes Verfahren mit einem sehr hohen Qualitätsstandard. Dies ohne die Exposition von gesundheitsgefährdender Strahlung. Somit entfallen aufwendige Strahlenschutzmaßnahmen und -belehrungen.
  • Sehr rasch können strukturelle Veränderungen eingestuft werden. z.B. eine Ruptur/Degeneration in einer Sehne
  • hohe Verfügbarkeit 
  • Durch die Echtzeitübertragung (real time scanning) können Muskeln in Bewegung und unter Belastung abgebildet werden.
  • Die Anschaffungs- und Betriebskosten sind gering im Vergleich zu anderen bildgebenden Verfahren, wie der Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT). 
  • Eine freie Schnittführung der Sonden erlaubt eine Kontrolle über das gewünschte Schnittbild in Echtzeit.

Als Nachteile der sonographischen Untersuchung sind die folgenden zu nennen:

  • Da es sich um ein sehr komplexes Verfahren handelt, ist die Erlernung für den Sonographen als aufwendig anzusehen. 
  • Überdies ist die Auflösung des Verfahrens geringer als beispielsweise bei der Computertomographie (CT).
  • So hängt die Qualität der gewonnenen Bilder von vielen Faktoren ab, die gleichzeitig berücksichtigt werden müssen: 
    • Position des Patienten
    • Geräteeinstellungen
    • Handhabung der Sonde
  • Beim Schallen einer muskulo-skelettalen Struktur soll sich der Sonographer einen möglichst akkuraten, mentalen Eindruck von der Anatomie des Patienten in drei Dimensionen verschaffen. Dies erfordert eine gute Hand-Auge-Koordination. Dieser subjektive Eindruck muss dann mit der normalen Anatomie verglichen und Abweichungen hinsichtlich ihrer Bedeutung (krankhaft/nicht krankhaft) beurteilt werden. Dies setzt weitgehende Erfahrung voraus [4].

Die Sonographie wird in der Orthopädie für folgende Indikationsbereiche häufig angewendet:

  • Schulterverletzung (z.B. Supraspinatussehnen)
  • Knieverletzung (z.B. Bandverletzung)
  • Kalkschulter
  • Bakerzyste
  • Akute/chronische Muskel-/Sehnenverletzungen
  • Schleimbeutelentzündung (Bursitis)
  • Ganglion

Variationen der Sonographie 

Sonographische Informationen können in unterschiedlicher Weise dargestellt werden.

B-Modus (Graustufen-)

Dieser Modus wird am häufigsten in der diagnostischen Bildgebung verwendet, die Signale werden als zweidimensionale anatomische Bilder angezeigt. Mit der B-Modus-Sonographie wird üblicherweise die Entwicklung des Feten überwacht, oder es werden Organe wie Leber, Milz, Nieren, Schilddrüse, Hoden, Brüste, Uterus, Eierstöcke und Prostata untersucht. Die B-Modus-Sonographie ist schnell genug, um Echtzeit-Bewegung, wie die Bewegung des schlagenden Herzens oder pulsierende Blutgefäße zu zeigen. Echtzeit-Bildgebung liefert anatomische und funktionelle Informationen [24], [25], [26].

M-Modus

Mit der M-Modus-Sonographie lassen sich bewegliche Strukturen darstellen; die von beweglichen Strukturen reflektierten elektrischen Signale werden in Wellen umgewandelt und kontinuierlich über eine Längsachse aufgezeichnet. Diese Sonographie dient in erster Linie zur Überwachung der fetalen Herztöne und findet als bildgebende Diagnostik in der Kardiologie vornehmlich bei Klappenerkrankungen Anwendung.

Doppler 

Mit dem Doppler-Sonographie kann der Blutfluss untersucht werden. Die Doppler-Sonographie verwendet den Doppler-Effekt (Veränderung der Tonfrequenz durch Reflexion durch ein sich bewegendes Objekt). Die bewegten Objekte sind Erythrozyten im Blut [27].

Die zusätzliche Verwendung unterschiedlicher Variationen können bei der Beurteilung der Wirksamkeit von physiotherapeutischen Massnahmen [28], [29] oder der Einteilung der Wundheilungsstadien [30], und somit dem «Return To Play», eine grosse Rolle spielen.

Das Schallen lernen

Um den MSKUS in der Praxiseinsetzen zu können, müssen Therapeuten vorher die theoretischen Grundlagen erlernen und praktisch üben. Den Umgang mit dem Ultraschall können sie beispielsweise beim Anbieter SonoSkills in verschiedenen Modulen erlernen. Die Dozenten legen Wert auf ein standardisiertes, protokollbezogenes Arbeiten in Anlehnung an die European Society of MusculoSkeletal Radiology (ESSR) Dabei bauen sie auf dem vorhandenen Grundwissen der topographischen und funktionellen Anatomie des Bewegungsapparats auf. Die TeilnehmerInnen lernen, wie sich muskuloskelettale Pathologien im Ultraschall darstellen. Auch Besonderheiten, im Rahmen von visuellen Stolperfallen, die in bildgebenden Verfahren auftauchen, wie zum Beispiel Artefakte, werden genauestens studiert. 

Grundkurs 

Der Grundkurs besteht aus zweimal drei Tagen. Im ersten Teil scannen die Teilnehmer nach einer kurzen allgemeinen Einführung in die Welt der Sonographie bereits die Strukturen der oberen Extremität. Im zweiten Teil wird die untere Extremität geschallt. Nach diesem Basiskurs sind Therapeuten in der Lage, den MSKUS in der Praxis anzuwenden. Später können sie weitere Spezialkurse besuchen, beispielsweise den Hand-, Schulter-, oder den Beckenbodenkurs.

Vorteile für Patient und Therapeut

Bereits wenige Wochen nachdem Therapeuten den MSKUS in der Praxis anwenden, findet bei ihnen meist ein grundlegender Selbstreflexionsprozess statt. Die Anwendung stösst eine neue, häufig viel differenziertere Sicht- und Handlungsweise bei den Therapeuten an. Vor allem in der Anatomie, aber auch in der Physiologie und Pathophysiologie des Bewegungsapparats ist der Erkenntnisgewinn enorm. Dieser «Prozess des Verstehens» nützt sowohl dem Therapeuten, seine Diagnostik und Therapie zu optimieren, als auch dem Patienten, dessen Diagnose durch die Ultraschallbilder sichtbar und begreifbar wird. 

Auch in diesem Bereich sind sind wir Profis. Andreas Philipp Kacsir unterrichtet den diagnostischen Ultraschall an PhysiotherapeutInnen und an Ärztinnen in der ganzen Schweiz. Herr Kacsir ist Trainer und Distributor von SonoSkills Swiss, einem Tochterunternehmen von Sonoskills aus den Niederlanden. Somit werden die eigenen Mitarbeiter stets in der Handhabung des MSKUS geschult, um die optimalste Qualität Ihrer Verlaufskontrolle zu gewährleisten.